Wir werden sie vermissen!!!
- VON PETER CARSTENS
Feierliche Stimmung am Berliner Bendlerblock. Der militärische Abschied der Bundeskanzlerin, ausgerichtet von der Bundeswehr, fiel kleiner aus, als nach 16 Jahren Amtszeit zu erwarten. Er erfolgte unter den besonderen Bedingungen jener Pandemie, die Merkels letzte Amtsmonate und das Land geprägt haben. Dennoch entsprach die Gästeliste einem Rückblick auf mehr als anderthalb Jahrzehnte deutscher Politik – und viele hatten sich nach Berlin aufgemacht, Angela Merkeldankbar die Ehre zu erweisen: frühere Bundesminister wie Philipp Rösler (FDP), langjährige Wegbegleiter wie Thomas de Maizière, ehemalige SPD-Vorsitzende wie Franz Müntefering und Andrea Nahles, aber auch das gerade geschäftsführende Kabinett und designierte Bundesminister wie Marco Buschmann von der FDP (Justiz) oder die Grünen Robert Habeck und Annalena Baerbock (Wirtschaft, Auswärtiges). Merkel wirkte gelöst, heiter war sie nicht. Dazu wiegen die Sorgen wohl zu schwer, die bis in die letzten Stunden ihrer Amtszeit auf ihr lasten.
Das Programm, militärisch exakt, sah als Beginn 19.23 Uhr vor, und so trat es ein. In ihrer kurzen Rede erinnerte die Kanzlerin an jene, die zu dieser Stunde in Krankenhäusern um Leben kämpfen, sich der Pandemie als Pfleger, Ärzte, Soldaten oder andere Helfer entgegenstemmen. Das Amt der Kanzlerin habe sie, sagte Merkel, „politisch und menschlich gefordert und zugleich erfüllt“. Zwei Ratschläge gab sie: Sie wolle „ermutigen, die Welt auch immer mit den Augen der Anderen zu sehen“ und die Arbeit „mit Fröhlichkeit im Herzen“ zu tun.
Mehr kühl als herzlich
Es folgten ein deutscher Schlager West und ein deutscher Schlager Ost – Lieder berühmter Berlinerinnen von Hüben und Drüben, das hatte sich die Bundeskanzlerin zum Abschied gewünscht. „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ sang 1968 Hildegard Knef, und das Lied enthält ein vorausschauendes Fazit von Merkels Amtszeit: „Mir sollten sämtliche Wunder begegnen / Die Welt sollte sich umgestalten / Und ihre Sorgen für sich behalten“. Etwas lebenspraktischer der Song „Du hast den Farbfilm vergessen“ von 1974. Da beklagte sich Nina Hagen auf einer Reise zur Ostseeinsel Hiddensee bei ihrem Freund Michael: „Nun glaubt uns kein Mensch, wie schön’s hier war / Alles blau und weiß und grün und später nicht mehr wahr“.
Gesungen wurde im Hof des Verteidigungsministeriums allerdings nicht, das Stabsmusikkorps der Heeres, spezialisiert auf Marschmusik, hatte instrumentale Versionen der Schlager einstudiert. Dazu wurde, in älterer Tradition, „Großer Gott, wir loben Dich“ gespielt. Ein seltsamer Liederzauber zwischen dem festen Tritt des aufmarschierenden Wachbataillons mit Fackeln und „Präsentiert das Gewehr!“-Rufen.
Quelle: FAZ.NET