Neue Gamestop-Rally setzt Shortseller unter Druck – fast zehn Milliarden Dollar Verlust
Die Position der Shortseller ist weiterhin riskant. Wie es weitergeht, hängt auch davon ab, was die Rally ausgelöst hat. Dafür gibt es zwei Erklärungen.
Denver, Düsseldorf Die unerwartete Rally der Gamestop-Aktie hat den Druck auf Shortseller erhöht, die beim US-Computerspielehändler auf fallende Kurse wetten. Ihre Verluste in diesem Jahr weiteten sich am Donnerstag zeitweise auf knapp elf Milliarden Dollar aus, als der Kurs der Aktie um 100 Prozent auf 184,54 Dollar stieg. Das geht aus Daten des Analysehauses S3 Partners hervor.
Zwar gab der Kurs bis zum Börsenschluss wieder deutlich nach – letztendlich ging die Gamestop-Aktie mit einem Plus von 18,6 Prozent bei 108,73 Dollar aus dem Handel –, dennoch zeigt der Kurssprung, wie riskant die Positionen der Shortseller sind. Bereits am Mittwoch war die Gamestop-Aktie um mehr als 100 Prozent gestiegen.
Wie Ihor Dusaniwsky, Analyst von S3 Partners, beobachtet, steigen aktuell die Wetten auf fallende Kurs sogar wieder an. S3 Partners wertet für seine Analysen Brokerdaten aus, demzufolge sind in der vergangenen Woche knapp zwei Millionen „Short-Wetten“ eröffnet worden – ein Plus von 15 Prozent.
Anfang des Jahres waren die Papiere von Gamestop zum Spielball von Spekulanten geworden: Kleinanleger zwangen mit konzertierten Käufen Shortseller zur Auflösung von Wetten auf den Verfall des Gamestop-Kurses und brachten diese damit teils in Bedrängnis. Die Aktie erreichte zwischenzeitlich einen Kurs von knapp 483 Dollar, bevor sie bis auf unter 50 Dollar einbrach.
Die Rally führte bei einigen Shortseller zu großen Verlusten. Denn diese leihen sich für ihre Wetten Aktien und verkaufen diese sofort, in der Hoffnung, sie später günstiger zurückkaufen zu können. Steigen die Aktien dagegen bis zum Rückgabetermin, müssen sie die Papiere zu einem höheren Preis zurückkaufen und machen Verluste.
Risiko für verbliebenden Shortseller
Auf dem Höhepunkt der Gamestop-Rally lagen die Shortseller mit ihren Wetten mehr als 20 Milliarden Dollar im Minus – zum großen Teil handelte es sich dabei um Buchverluste. Durch den Kursverfall konnten sie diese aber wieder auf rund acht Milliarden Doller eingrenzen, viele Shortseller schlossen ihre Wetten auch ganz. Aktuell sind noch 28,4 Prozent der Aktien leerverkauft.
Für die verbliebenden Shortseller könnte es jetzt teuer werden, denn laut den Daten von S3 Partners verloren sie alleine am Mittwoch 664 Millionen Dollar. Hätte die Gamestop-Aktien am Donnerstag ihr hohes Niveau vom Handelsstart halten können, wären noch einmal mehr als eine Milliarde Dollar an Verlusten hinzugekommen. Aber auch der Kurssprung um 20 Prozent dürfte die Shortseller noch immer rund 300 Millionen Dollar Verlust eingebracht haben. Auf Jahressicht hätten sich ihre Verluste damit wieder auf knapp zehn Milliarden Dollar ausgeweitet.
Einige Hedgefonds hatten angekündet, künftig weniger auf fallende Kurse zu setzten. Gabriel Plotkin von Melvin Capital kündete an, vorsichtiger sein zu wollen, mit dem Risiko, das sein Fonds eingehe, aber auch wie offen er über seine Positionen spreche. Melvin hatte Milliardenverluste erlitten und musste Ende Januar frisches Kapital einsammeln. Der Hedgefonds Citron Research erklärte Ende Januar, künftig nicht mehr seine Liste mit Short-Positionen veröffentlichen zu wollen, obwohl er mit dieser Strategie bekannt geworden ist.
Die kommenden Handelstage könnten für die Shortseller deshalb knifflig werden, erklärt Dusaniwsky. Die weitere Entwicklung hängt dem Analysten zufolge aber auch davon ab, wer die aktuelle Rally ausgelöst hat. Sollten es Privatanleger sein, würde das wahrscheinlich die Aktie auf dem aktuellen Niveau halten, weil diese Anleger die Aktien tendenziell nicht so schnell wieder verkaufen.
Für die Shortseller wäre das eine schlechte Nachricht. Denn das aktuelle Kursniveau ist für viele von ihnen zu hoch. „Viele Short-Positionen stehen kurz davor, aus dem Markt gedrückt zu werden“, erklärt Dusaniwsky. Das Privatanleger durchaus in der Lage sind, Aktienkurse von bestimmten Einzelwerten extrem zu bewegen, hatte zuletzt eine Studie des Swiss Finance Institute gezeigt.
Hinweise auf massiven Kauf von Call-Optionen
Allerdings könnte auch der massive Kauf von Call-Optionen – also Optionen auf den Kauf von Aktien zu einem vorher festgelegten Preis – zu dem Kursanstieg geführt haben. Mit diesen können Anleger auf steigende Kurse bei einem Unternehmen setzen. Um sich abzusichern, müssen die Anbieter dieser Calls sich mit den entsprechenden Aktien eindecken.
Für diese Erklärung spricht, dass nach Angaben des Finanznachrichtendienstes Bloomberg am Donnerstag die am meisten gehandelte Option auf Gamestop-Aktien ein Kontrakt darauf war, dass der Kurs des Papiers am Freitag auf 800 Dollar steigt.
Auch das extrem hohe Handelsvolumen vom Donnerstag würde dafür sprechen. 149 Millionen Aktien wurde an der Nasdaq gehandelt – 80 Prozent mehr als am schon handelsstarken Mittwoch. Zum Vergleich: Am Dienstag waren es noch weniger als acht Millionen Aktien gewesen.
Sollten tatsächlich der massive Kauf von Call-Optionen die Rally ausgelöst haben, dürften der Gamestop-Aktien turbulente Handelstage bevorstehen, sagt Dusaniwsky: „Dann können wir eine höhere Volatilität des Aktienkurses erwarten, denn die Absicherung der Call-Anbieter reagiert auf die Kursschwankungen von Gamestop und nimmt zu oder ebbt ab.“
Auf dem Reddit-Form „Wall Street Bets“, das schon bei der ersten Rally im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, reagierten die Mitglieder gemischt auf die heftigen Schwankungen vom Donnerstag. „Nur plus 20 Prozent, das reizt mich nicht mehr“, monierte ein Nutzer, der offenbar erneut einen Kurssprung von über 100 Prozent erwartet hatte. Andere dagegen mahnten zur Geduld. „Das sind doch gute Nachrichten. Lasst euch das von einem Profi sagen. Eine Aktie kann sich nicht jeden Tag verdoppeln, ihr seid einfach zu verwöhnt geworden.“
Mehr: „Runde zwei. Wir haben aufgetankt“ – Reddit-Trader treiben Gamestop-Aktie an.