Von Jan Gänger 24.01.2022, 13:09 Uhr
Die Krypto-Szene feiert Bitcoin als perfekten Schutz gegen Inflation. Doch obwohl die Inflationsraten in den USA und der Eurozone hoch sind, rauscht die Kryptowährung nach unten. Was ist da los?
Die einen sehen in Bitcoin die Zukunft des Finanzsystems, die anderen halten ihn für ein gigantisches Schneeballsystem. Fest steht: Durch den jüngsten Absturz der Kryptowährung löst sich das zentrale Argument der Fangemeinde in Luft auf.
Bitcoin wird von der Szene als von Zentralbanken völlig unabhängig gepriesen, als Schutz gegen Geldentwertung. Doch es zeigt sich eindrucksvoll, dass das nicht stimmt. Denn obwohl in den USA und in der Eurozone hohe Inflation herrscht, geht es für Bitcoin in den Keller. Die Kryptowährung ist nur noch halb so viel wert wie vor einem halben Jahr.
Inflationsschutz ist das nicht. Auffällig ist außerdem, dass der Bitcoin nicht anders als Aktien reagiert. Rauschen sie in die Tiefe, etwa weil die US-Notenbank die Zinswende einleitet, ist das bei den Kryptos nicht anders. Steigen Aktien, geht es auch für Kryptos nach oben. Die Ausschläge sind sogar noch heftiger. Das heißt: Bitcoin verhält sich wie jede hochspekulative Anlageklasse. Wenn Notenbanken Liquidität aus dem Markt ziehen, wird damit auch das Geld zum Zocken knapper.
Hinzu kommt, dass etwa Aktien im Gegensatz zu Kryptowährungen einen inneren Wert haben — sie sind Anteile an einem Unternehmen. Auch sie können überbewertet sein und abstürzen. Aber die Unternehmen haben einen Nutzen. Sie stellen etwas her. Menschen kaufen diese Produkte oder bezahlen für Dienstleistungen.
Als Geld völlig ungeeignet
Kryptos dagegen haben keinen inneren Wert. Ihr Kurs ist nichts anderes als eine Wette, völlig losgelöst von der wirtschaftlichen Realität. Sie haben keinen — zumindest keinen legalen — Nutzen. Seit Jahren behauptet die Szene, Kryptowährungen und Blockchain-Technologie werden das Finanzsystem revolutionieren. Dazu ist es bisher nicht einmal ansatzweise gekommen. Und es sieht nicht danach aus, dass sich das in absehbarer Zeit ändert. Warum auch? Es gibt nichts, das Bitcoin und Blockchain besser können als bereits vorhandene Verfahren.
Kryptowährungen sind reine Spekulationsobjekte. Geht die Wette auf, kann man viel Geld verdienen. Bitcoin hat trotz heftiger Schwankungen insgesamt einen gigantischen Kursanstieg hinter sich. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Bitcoin sich auch vom jüngsten Rücksetzer erholt.
Die Krypto-Fans sehen in den rasant steigenden Kursen den Beweis für den Erfolg von Bitcoin. Anonymität und Intransparenz gelten ihnen als Qualitätsmerkmale. Die Kursgewinne werden als Belohnung dafür betrachtet, schon früh an das Projekt geglaubt zu haben — völlig unabhängig davon, dass sich ein Nutzen bisher nicht gezeigt hat. Die einzigen praktischen Anwendungen von Bitcoin finden sich bisher bei Geldwäsche und Steuerhinterziehung.
Außerdem ist der Sinn einer Währung ja nicht, den Besitzer reich zu machen. Geld soll vor allem ermöglichen, dass mit ihm jederzeit Güter ge- und verkauft werden können. Diese volkswirtschaftliche Funktion ermöglicht der Bitcoin nicht. Denn niemand weiß, ob ein Bitcoin in einer Woche 5000 Dollar, 50.000 Dollar oder gar nichts wert ist.
Wer Bitcoin besitzt, kauft damit nicht ein. Er hofft darauf, dass der Kurs der Kryptowährung steigt. Und irgendwann wird er Bitcoin für Euro oder Dollar verkaufen. Das ist völlig nachvollziehbar. Bitcoin eignet sich hervorragend zum Zocken. Als Inflationsschutz taugt er nicht.
Quelle: ntv.de